Geschichten über Potsdamer Olympioniken: Christa Stubnick wird weltberühmt

Potsdamer Olympioniken, Folge 2

Text: Horst Sperfeld
Quelle: Volker Kluge, "Olympische Sommerspiele, Die Chronik", Sportverlag Berlin

Geschichten über Potsdamer Olympioniken: Christa Stubnick wird weltberühmt

Potsdamer Olympioniken, Folge 2

Für die Geschichte der Olympische Spiele war das Jahr 1956 ein ganz besonderes. Deutschland, das im ausgehenden 19. Jahrhundert durch eine Initiative des Berliner Naturwissenschaftlers Dr. Willibald Gebhardt weltweit zu den ersten Förderern der Spiele der Neuzeit gehörte, durfte endlich wieder komplett am Treff der Sportjugend aus aller Welt teilnehmen. Die Deutschen waren 1948 in London nach den Grauen des von ihnen ausgelösten 2. Weltkrieges und Völkermordes zum dritten Male innerhalb von 28 Jahren vom großen Sportspektakel ausgeschlossen gewesen. 1952 in Helsinki war immerhin schon eine westdeutsche Mannschaft zugelassen worden. Nun, also 1956, war auch das Nationale Olympische Komitee des zweiten deutschen Staates, der DDR, vom Internationalen Olympischen Komitee zumindest provisorisch aufgenommen. Allerdings verbunden mit einer Auflage: Die große Olympische Familie wollte es nicht mit zwei deutschen Mannschaften zu tun bekommen, es musste eine gemeinsame Vertretung für die Spiele im australischen Melbourne gebildet werden.

Für die Zusammenstellung einer gemeinsamen deutschen Olympiamannschaft setzte man nationale Ausscheidungswettkämpfe an. Die brachten für das schließlich 159-köpfige Melbourne-Team eine Zusammensetzung von 123 zu 36. Die 123 zu Gunsten der jungen Bundesrepublik Deutschland ergab sich vor allem aus der Tatsache, dass alle personenintensiven Ballsportarten nur mit Aktiven aus dem Westen Deutschlands besetzt worden waren. Am Ende der Wettbewerbe, die vom 22. November bis 8. Dezember 1956 in der zweitgrößten Stadt Australiens ausgetragen wurden, stand für Deutschland die beachtliche Medaillen-Ausbeute von sechs Mal Gold, 13 Mal Silber und sieben Mal Bronze.

In der mit 36 Aktiven noch relativ kleinen Delegation aus der Deutschen Demokratischen Republik, also dem Osten Deutschlands, konnte sich der kesse Berliner Boxer Wolfgang Behrendt als erster Olympiasieger feiern lassen. Besondere Berühmtheit erlief sich jedoch eine 24 Jahre junge Dame aus Potsdam, die gleich zwei Mal mit Silber geehrt wurde. Dass Christa Stubnick so besonders in den Blickpunkt geriet, lag zum einen an ihrer sportlichen Disziplin, dem ohnehin stets besonders beachteten leichtathletischen Sprint über 100 und 200 Meter. Der Aufstieg der jungen Athletin zu Weltruhm war aber vor allem ihrer großen Gegnerin geschuldet. Die hieß Elisabeth "Betty" Cuthbert und war damals schon eine Weltberühmtheit. Die Potsdamerin Stubnik forderte die hochfavorisierte Cuthbert von den australischen Gastgebern, die über 200 Meter sogar die amtierende Weltrekordlerin war, gleich zweimal zum Äußersten heraus und hätte dabei fast eine Sensation geschafft.

Christa Stubnick, die aus der Nähe von Stendal stammte, kam erst mit 18 Jahren zur Leichtathletik. 1952, also vier Jahre vor ihren großen Auftritten in Melbourne, hatte Trainer Max Schommler die seinerzeit noch Christa Seliger heißende junge Dame bei Wettkämpfen entdeckt und zu sich nach Potsdam holen können. Die beiden trainierten damals zusammen im gerade erst im einstigen Potsdamer Lustgarten aus Kriegsruinen-Schutt erbauten Ernst- Thälmann-Stadion. Ostern 1954 heiratete sie den Boxer Erich Stubnick und tat sich wenig später auf der Aschenbahn durch einen Europarekord hervor. Nach Melbourne konnte Christa Stubnick aus Verletzungsgründen nicht wieder an ihre großartigen Leistungen anknüpfen und fehlte deshalb auch vier Jahre später bei Olympia in Rom.

Auf der großen Reise nach Australien hatte Christa Stubnick noch zwei andere Potsdamer Sportler an ihrer Seite. Auch die beiden jungen Männer waren Leichtathleten und bildeten die Vorboten einer später zu Weltruhm gelangenden Laufschule im Sportpark Luftschiffhafen. Diesmal wurde es für das Duo von Meistertrainer Curt Eins noch nichts mit einer Medaille. Friedrich "Fritz" Janke schied in Melbourne als Sechster seines Vorlaufes über 5000 Meter aus. Er war allerdings nicht auf seiner Spezialstrecke, den 3000 Meter Hindernis, am Start. Lothar Beckert kam im Marathonlauf auf Rang 19.