Spendensammlung für Nachlass
Potsdam-Museum will an Potsdamer Bürgertum erinnern
Am Dienstag, dem 12. Dezember 2006, riefen das Potsdam-Museum und der Förderverein des Potsdam-Museums zu einer Spendensammlung auf, um den für die Stadt wertvollen Nachlass des Reichsarchivrats Dr. Karl Heinrich Schäfer in den Bestand der stadtgeschichtlichen Sammlung im Potsdam-Museum übernehmen zu können.
Die zu erwerbende Einrichtung von Schäfers unlängst aufgelöster Wohnung - Möbel, Gemälde, Instrumente - soll dabei beispielhaft für die weitgehend verlorene Kultur des Potsdamer Bürgertums vor dem Zweiten Weltkrieg stehen.
Durch das Engagement einiger privater Spender konnte vom Förderverein bereits ein Teil der notwendigen finanziellen Mittel gesammelt werden. Die größten Einzelspenden wurden dabei durch Dr. Ellen Chwolik-Lanfermann (selbst Mitglied im Förderverein des Potsdam-Museums), ihren Ehemann Heinz Lanfermann (Bundestagsabgeordneter FDP) sowie Dr. Eckart Frantz (Ärztlicher Direktor des St. Josefs Krankenhauses Potsdam) aufgebracht. Die Spendensammlung wird dabei ausdrücklich auch von der Katholischen Pfarrgemeinde St. Peter und Paul, Potsdam unterstützt.
Die Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum Dr. Birgit-Katharine Seemann betonte auf einer Pressekonferenz, wie wichtig das bürgerschaftliche Engagement für den Erwerb dieses so wichtigen Nachlasses sei: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, trotz des fehlenden Ankaufsetats unseres Museums, bereits jetzt große Teile des Nachlasses der Wohnung von Karl-Heinrich Schäfer in den Sammlungsbestand des Potsdam-Museums übernehmen zu können. Dafür möchte ich dem Förderverein des Potsdam-Museums e.V. und der Katholischen Pfarrgemeinde St. Peter und Paul Potsdam herzlich danken.“
Zum Erwerb des Nachlasses werden jedoch immer noch Mittel in Höhe von 4500 EURO benötigt. Der Förderverein ruft daher alle Potsdamerinnen und Potsdamer auf, das Potsdam-Museum beim Erwerb des Schäferschen Nachlasses finanziell zu unterstützen.
Das Spendenkonto des Vereins lautet:
Förderverein des Potsdam-Museums e.V.
Mittelbrandenburgische Sparkasse BLZ 160 500 00
Kto.-Nr. 350 301 65 96
Stichwort: Schäfer
(Der Förderverein des Potsdam-Museums e.V. ist als gemeinnützig anerkannt (Förderung kultureller Zwecke), Spenden können somit steuerlich geltend gemacht werden. Entsprechende Bescheinigungen können über den Verein ausgestellt werden, wenn eine Überweisung erfolgt und auf dem Überweisungsträger die Adresse des Spenders vermerkt ist.)
Karl Heinrich Schäfer wurde 1871 in Wetter (Hessen) geboren, er studierte nach dem in Marburg absolvierten Abitur zunächst evangelische Theologie in Greifswald, Erlangen und Marburg. Anschließend - von 1896 bis 1899 - arbeitete er in Potsdam als Hauslehrer für den Bornstedter Pfarrer Pietschker. Statt sich jedoch in der Folge zum Pfarrer ordinieren zu lassen, begann Schäfer ein Geschichtsstudium, das er 1902 in Tübingen mit einer Promotion über „Pfarrkirche und Stift im deutschen Mittelalter“ abschloss. Sein Berufsleben als Historiker begann er 1900 im Stadtarchiv Köln, von 1903 bis 1914 arbeitete er als Stipendiat der Görres-Gesellschaft in Rom. Nach dem Ersten Weltkrieg habilitierte sich Schäfer in Braunschweig, bevor er 1920 als Archivrat an das neugegründete Reichsarchiv in Potsdam berufen wurde.
Diese Festanstellung erlaubte es ihm, eine Familie zu gründen; Schäfer heiratete Barbara Marx, die aus einer luxemburgischen Industriellenfamilie stammte. Mit ihr zog er in die so genannte „Lützelburg“ in der Potsdamer Sophienstraße 2 (heute Meistersingerstraße). Dort entfaltete sich in den 1920er und 1930er Jahren ein vielfältiges Spektrum bürgerlicher Kultur: Zahlreiche Künstler - Musiker und Schauspieler ebenso wie Schriftsteller und Maler - nicht nur aus Potsdam und Berlin, waren regelmäßig im Salon der Familie Schäfer zu Gast. Karl Heinrich und Barbara Schäfer waren verantwortlich eingebunden in ein Netzwerk kulturell tätiger Vereine. Besonderes Augenmerk galt dabei auch ihrer religiösen Betätigung: Nachdem Karl Heinrich Schäfer 1902 zur katholischen Kirche übergetreten war, vertrat er gerade in der brandenburgisch-preußischen Diaspora seine religiösen Überzeugungen mit Vehemenz. Als Historiker bemühte er sich in zahlreichen Veröffentlichungen, das Bild vom "finsteren Mittelalter" im Brandenburg vor der Reformation aufzuhellen und sich von der protestantischen Geschichtsschreibung abzusetzen.
Im Reichsarchiv brachten seine religiösen Ansichten Schäfer in den Augen seiner Kollegen in die Rolle des Außenseiters, dem zudem die militärische Erfahrung der meisten anderen Archivare - oft ehemalige Offiziere - fehlte. 1934 wurde er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, befördert durch Denunziationen im Kollegenkreis. Er konzentrierte sich fortan auf Publikationen zur brandenburgischen Landes-, Kirchen- und Kulturgeschichte des Mittelalters und auf Forschungen zur Geschichte der Stadt Potsdam, die er u. a. in hiesigen Tageszeitungen veröffentlichte.
Von den Nationalsozialisten wurde Schäfer auch nach seiner Entlassung aus dem Archivdienst kritisch beobachtet, die Herausgabe einer Festschrift zu seinem 70. Geburtstag 1941 wurde durch die Reichskulturkammer verhindert. Schließlich führte die Denunziation einer Hausangestellten wegen des Hörens von „Feindsendern“ dazu, dass Karl Heinrich und Barbara Schäfer verhaftet wurden. Angeklagt wegen „planmäßig organisierter Zersetzungsarbeit“ wurde er zu zwei und sie zu anderthalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Während seine Frau nach dieser Zeit auf freien Fuß kam, wurde Karl Heinrich Schäfer der SS übergeben, die ihn in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbrachte. Dort starb er am 29. Januar 1945.
Barbara Schäfer kehrte nach ihrer Haft in die Potsdamer Wohnung der Familie zurück und lebte dort bis zu ihrem Tod, anschließend führte die Tochter Schäfers - selbst Musikerin - den Haushalt in einer in der Einrichtung nahezu unveränderten Form bis in die jüngste Vergangenheit und bewahrte so das Zeugnis bürgerlicher Wohnkultur.