Pressemitteilung Nr. 508 vom 13.08.2018 Landeshauptstadt gedenkt des Mauerbaus und der Opfer der Teilung

Die Landeshauptstadt Potsdam hat heute mit einer Kranzniederlegung und einer Gedenkfeier des Mauerbaus vor 57 Jahren und der Opfer der deutschen Teilung gedacht. Der Beigeordnete für Soziales, Jugend, Gesundheit und Ordnung, Mike Schubert, legte für die Landeshauptstadt zusammen mit Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke einen Kranz an der NIKE an der Glienicker Brücke nieder.

Am Nachmittag sprach er auf Einladung des Mitveranstalters, der Fördergemeinschaft Lindenstraße 54, Worte des Gedenkens und nahm am „Potsdamer MauerVerlauf“ teil, der der Erinnerung der Opfer dient und ein Zeichen für Demokratie und Freiheit setzen soll. Wir dokumentieren die Rede des Beigeordneten:

„Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Ladner,
sehr geehrte Frau Dr. Nooke,
sehr geehrter Herr Dr. Drecoll,
meine Damen und Herren,

als in der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 die Nationale Volksarmee mit 5.000 Mitgliedern der Grenzpolizei und 5.000 Kräften der Schutz- und Volkspolizei sowie weiteren 4.500 Angehörigen der Betriebskampfgruppen die Sektorengrenze nach West-Berlin abzuriegeln begann, löste das vor allem eines aus: Fassungslosigkeit.

Die nächtliche Aktion zum Sonntag hin hatte die Berliner und natürlich auch die Potsdamer völlig überrumpelt. Bestürzt, betroffen, schockiert mussten die Menschen mit ansehen, wie das Straßenpflaster aufgerissen worden war, wie Stacheldrahtverhaue und in den folgenden Tagen eine Mauer aus Hohlblocksteinen die Grenze unpassierbar machen sollte.

Wir alle kennen die Bilder, die mit der Abriegelung der Grenze unmittelbar nach diesem 13. August verbunden sind:
Bilder des Soldaten, der mit einem Sprung über den Stacheldraht die Flucht in den Westteil ergreift.  
Bilder von Menschen, die sich aus den Häusern direkt an der Grenze in waghalsigen Aktionen abzuseilen versuchen und diesen Versuch auch mit dem Leben bezahlen.
Bilder einer Grenze, die mitten durch eine Kulturlandschaft brachial getrieben wurde und nicht nur Lebenszusammenhänge, sondern auch gewachsene Landschaften zerstörte.

Und wir alle kennen das Bild der abgeriegelten Glienicker Brücke.

Der 13. August 1961 war ein ungeheuerliches Ereignis. Nie zuvor in der Weltgeschichte hatten die Machthaber es gewagt, eine Mauer zu bauen, um die gesamte eigene Bevölkerung einzusperren. Der gesamte Aufbau der von 1961 bis 1989 immer größer werdenden Grenzanlagen verwies in das eigene Land.

Der Stacheldraht bog sich in Richtung Osten. Die Hinterlandsmauer, die Sperren, die Selbstschussanlagen, die Kontrollwege, die Lichtanlagen und Wachtürme– all das errichteten die SED-Machthaber, um ihre Bürger am Verlassen der DDR zu hindern.

Die Mauer war immer Ulbrichts politischer Triumph. Zugleich war sie die schwerste Hypothek seines Regimes, die in der Zeit von 1961 bis 1989 mindestens 138 Menschen das Leben kostete. Ich selbst bin im Zentrum Ost aufgewachsen. Von unserem Haus aus konnte man bis nach West Berlin zum Schäferberg sehen.

Durch Besuche im  Babelsberger Park oder aber durch meine Wassersportaktivitäten hatte man die Mauerverläufe immer wieder vor Augen, hörte die Hunde an den Grenzanlagen bellen und sah die Grenzsoldaten patrouillieren.

Doch die Bevölkerung der DDR  wollte sich nicht mit dem Zustand des „Eingesperrtseins“  abfinden. Sie wollten nicht gegängelt werden von einem Staat, der ihnen Lebenswege vorschrieb. Sie wollten die Freiheit. Ein einfaches Menschenrecht. Ihre Fluchtversuche endeten oftmals aber tödlich. An sie wollen wir heute im Besonderen denken und uns vor ihrem Mut und ihre Courage verneigen.

Meine Damen und Herren, Gedenken bedeutet immer Rückblick. Heute genießen wir das unglaubliche Privileg, dass in dem Bau der Mauer der Fall der Mauer eingeschrieben ist. Dem Freiheitsdrang der Menschen in der DDR ist es mit zu verdanken, dass die Mauer zu wanken begann und 1989 umgestürzt wurde.

Ich erinnere mich noch gut, mit welchen Gefühlen ich selbst am 10.11.1998 über die Glienicker Brücke lief. Unsere Dankbarkeit gilt heute vor allem den Aktivsten der Bürgerrechtsbewegung der DDR, und wir denken zugleich an die europäische Freiheitsbewegung in Polen, Ungarn und in der Tschechoslowakei.

Die Skulptur NIKE 89 vom Bildhauer Wieland Förster verkörpert dieses historische Wunder unserer deutschen Geschichte. Die Siegesgöttin Nike streckt sich dem freiheitlichen Himmel entgegen, doch ihr Torso ist geschunden von Zerstörung und Gewalt, Leid und Unrecht.

Der Weg von der Unfreiheit in die Freiheit war und bleibt leidvoll. Das Gedenken an diesen Weg ist für unser Selbstverständnis zentral. Der 13. August zeigt deutlich, dass Freiheit und Demokratie Werte sind, um die gerungen werden muss.

Die verständliche Freude über den Mauerfall 1989 hat dazu geführt, dass heute die Spuren der Grenze weitgehend verschwunden sind. Das erschwert jedoch  für unsere jungen Generationen die Vermittlung eines authentischen Geschichtsbildes.

Umso mehr bin ich den Organisatoren des MauerVerlaufs dankbar, dass sie bereits zum
10. Mal mit uns den Spuren und Narben unserer deutsch-deutschen Teilungsgeschichte wortwörtlich nachgehen und somit das Gedenken lebendig halten.

Vielen Dank!“