Pressemitteilung Nr. 438 vom 31.07.2015 Hochkonzentrierte Helfer auf vier Pfoten

Sozialbeigeordnete wirbt für mehr Sensibilität im Umgang mit Blindenführhunden
Elona Müller-Preinesberger und Nicole Einbeck mit Blindenführhund
© Elona Müller-Preinesberger und Nicole Einbeck mit Blindenführhund
Elona Müller-Preinesberger und Nicole Einbeck mit Blindenführhund. Foto Landeshauptstadt Potsdam/ Christine Homann

Gemeinsam mit der Vorsitzenden des Beirates für Menschen mit Behinderungen, Nicole Einbeck, hat die Beigeordnete für Soziales, Jugend, Gesundheit und Ordnung, Elona Müller-Preinesberger, heute über die Ausbildung, den Einsatz und die Aufgaben von Blindenführhunden informiert. Beide warben für mehr Sensibilität und Respekt im Umgang mit den Tieren, die hochkonzentriert arbeiten, um ihr Herrchen oder Frauchen sicher durch den Alltag zu begleiten. „Blindenführhunde sichern ihren Besitzern ein hohes Maß an individueller Mobilität, Sicherheit, Unabhängigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe. Leider ist immer noch nicht allen Menschen bewusst, dass ein Assistenzhund nicht mit einem gewöhnlichen Hund zu vergleichen ist und dass für sie im Gespann andere Rechte gelten. Deshalb ist es wichtig, an dieser Stelle immer wieder Aufklärungsarbeit zu leisten“, so die Beigeordnete.

Von ihrem Alltag mit ihrer Blindenführhündin Juna berichtete Nicole Einbeck. Die Vorsitzende des Beirates für Menschen mit Behinderungen lebt seit einem Jahr in Potsdam und wird seit gut zwei Jahren von Juna begleitet. Die Assistenzhündin sichert ihr neben dem weißen Stock und den Blindenleitstreifen, wenn vorhanden, Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit. „Mobilität bringt mir Freiheit, Selbstbestimmtheit und Lebensfreude“, sagt sie. „Es gibt fast nichts, von dem ich mich abhalten lasse, nur weil ich blind bin“.  Sie geht in Kneipen und zum Essen, besucht Veranstaltungen und macht Urlaub – auch dank der Hilfe von Juna.

Etwa 1−2 Prozent der Blinden in Deutschland haben einen Blindenführhund. Diese sind speziell ausgebildet, um blinden oder hochgradig sehbehinderten Menschen eine gefahrlose Orientierung sowohl in vertrauter als auch in fremder Umgebung zu gewährleisten. Zur Ausbildung zum Blindenführhund kommen nur Hunde mit ganz bestimmten Eigenschaften in Frage. So muss es sich um friedfertige, intelligente, wesensfeste, nervenstarke, belastbare und gesunde junge Hunde handeln. Bis zu 10 000 Wiederholungen sind notwendig, bis ein Assistenzhund sicher und zuverlässig ein bestimmtes Kommando beherrscht. Alle Blindenführhunde haben ein aufwendiges, rund einjähriges Training absolviert, das in Deutschland in Führhundeschulen durchgeführt wird. Mindestens ein Jahr alt sind die angehenden Blindenführhunde, wenn ihre Ausbildung beginnt. Mit dem Ablegen einer Assistenzhund-Team-Prüfung wird festgestellt, ob sich ein Halter-Hund-Team ohne Gefährdung Dritter in der Öffentlichkeit bewegen kann.

Auch Juna hat während ihrer Ausbildung durch positive Bestätigung rund 40 bis 70 Kommandos gelernt. Sie kann „rechts“, „links“, „voran“ unterscheiden, sucht den Weg zu einer Ampel, findet Türen, Bankautomaten, Briefkästen, Supermarktkassen, Treppen, die auf- oder abwärts führen, und warnen vor allem vor Hindernissen. „Meine Hündin hat eigene Bedürfnisse und stellt Anforderungen und zwar an die ganze Familie. Neben der Arbeit, die sie täglich und mit Freude erledigt, braucht sie Freilauf, Freizeit und Pflege. Sie muss für mich ,mitdenken‘. Auch bei Hindernissen wie Schranken, die sie selbst mühelos passieren könnte, muss sie ausweichen und einen Weg finden, der für mich sicher ist“, sagt Einbeck.

Im Gespann haben Blindenführhunde andere Rechte als ihre Artgenossen. Sie müssen vor Geschäften nicht „draußen bleiben“, dürfen selbstverständlich Arztpraxen und Apotheken betreten und – ohne Fahrschein und ohne Maulkorb – in Bussen, Bahnen und im Passagierraum eines Flugzeugs mitfahren beziehungsweise –fliegen.

Aus eigener Erfahrung und von anderen Blinden und Sehbehinderten weiß Nicole Einbeck, dass es leider immer wieder zu Schwierigkeiten kommt, wenn der Führhund in ein Restaurant, ein Lebensmittelgeschäft, eine Arztpraxis oder ein Konzerthaus mitgenommen wird. „Oftmals sind den Menschen, die uns den Zutritt verwehren wollen, die Fakten nicht bekannt“, sagt sie. Blindenführhunde sind medizinische Hilfsmittel und durch ihr weißes Führgeschirr gekennzeichnet. Nach §33 des Sozialgesetzbuchs, fünftes Buch, sind Blindenführhunde als medizinisches Hilfsmittel anerkannt - vergleichbar mit einem weißen Langstock oder einem Rollstuhl.

Eine große Herausforderung für Nicole Einbeck stellt immer wieder falsches Verhalten ihrer Mitmenschen aufgrund von Unwissenheit dar. So sollte niemand Ihre Hündin im Gespann ansprechen, streicheln oder ablenken. „Juna ist im Dienst und hochkonzentriert. Wenn sie abgelenkt wird, kann mich das in Gefahr bringen“, sagt sie. Ausgleich für diese anstrengende Arbeit gibt es aber auch: In ihrer Freizeit ist Juna vom Leinenzwang befreit und kann auch in öffentlichen Parks  freilaufend nach Herzenslust toben.